Arnswalder Platz

Der Arnswalder Platz liegt in einem dicht besiedelten Stadtteil und weist als Blockplatz eine Gesamtausdehnung von 240 x 140 Metern auf. Die eigentliche, 185 x 117 Meter große, gärtnerisch gestaltete Anlage stellt einen der wenigen wohnungsnahen Grün- und Erholungsräume des früheren Bezirks Prenzlauer Berg dar. Der Platz ist in eine weitgehend gerasterte Blockstruktur eingefügt, die die Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Berliner Arbeiterviertel kennzeichnet.

Im Hobrecht-Plan von 1858-62 bereits vorgesehen, erfolgte eine gartenkünstlerische Gestaltung als Schmuckplatz in den Formen der sogenannten „Lenné-Meyerschen Schule“ erst 1904-10.  Das Zentrum bildete eine symmetrisch gestaltete, die heutige Bonhoeffer-Straße aufnehmende Querachse, die zwei unterschiedliche ‚landschaftliche‘ Hälften mit jeweils zwei geschwungenen Hauptwegen voneinander trennten. 1908 wurde ein Schmuckbrunnen nördlich des Platzzentrums aufgestellt, bis 1910 ein Spielplatz in der südlichen Platzhälfte angelegt.

Seit dem Hobrecht-Plan 1862 hieß das Areal zunächst einfach Platz A. Mit der Errichtung der umgrenzenden Bebauung erhielt er 1902 den Namen Arnswalder Platz nach der ehemaligen Kreisstadt Arnswalde (Provinz Pommern), heute: Choszczno. 1937 wurde der Platz 1937 in Hellmannplatz umbenannt, seit 1947 heißt er wieder Arnswalder Platz – allerdings mit einer Unterbrechung: zwischen 1974 und 1995 war das Areal auf Beschluss des Stadtbezirksrates ohne Namen, weil er keine Bedeutung als Postanschrift

Die entscheidende, bis heute sichtbare Gestalt erhielt der Platz 1933/34 durch den Stadtbaudirektor Richard Ermisch (1885-1960). Er konzipierte unter Einbeziehung des Großbaumbestands eine vollständige Neuanlage, die auf den bereits 1927 im Auftrag der Stadt Berlin von Hugo Lederer (1871-1940) entworfenen monumentalen Fruchtbarkeitsbrunnen als Mittelpunkt zugeschnitten war. Ausschlaggebend für die Wahl des Arnswalder Platzes als Standort des Brunnens waren die günstigen Baugrundverhältnisse für die mächtige Brunnenanlage. Der Brunnen hatte zuvor auf dem Baltenplatz, dem heutigen Bersarinplatz, oder auf dem Forckenbeckplatz errichtet werden sollen. Der Untergrund dort erwies sich jeweils als nicht tragfähig genug.

 

Die Fotos zeigen den Bildhauer Hugo Lederer bei der Arbeit im Jahre 1934.

Die neu gestaltete Platzanlage ist auf die Raumwirkung des  monumentalen Brunnens ausgerichtet. Der Stier- oder Fruchtbarkeitsbrunnen wurde daher im Zentrum des Platzes, im Kreuzungspunkt der einmündenden Straßen aufgestellt. Im seinem Mittelpunkt erhebt sich auf einem erhöhten rechteckigen Plateau und darauf errichtetem kreisförmigem Treppenpodest die mächtige Brunnenschale aus rotem Rochlitzer Porphyr. Mit acht Meter Durchmesser übertrifft sie ihr Vorbild im Berliner Lustgarten um fast drei Meter!

Die Brunnenschale wird an zwei Seiten von symmetrisch angeordneten Skulpturengruppen auf gestuften Postamenten flankiert. In deren Mitte erhebt sich jeweils ein mächtiger, zur Außenseite aufgerichteter, alles überragender Stier. Den Stieren sind beidseitig Fruchtbarkeit symbolisierende Figuren zugeordnet: die Mutter mit ihrem Kind, der Schäfer mit einem Widder, der Fischer mit seinem Fang, die Bäuerin mit den Früchten des Feldes.

Die beiden Platzhälften sind jeweils in drei nahezu gleichgroße Rechteckfelder geteilt, von denen das mittlere Feld jeweils als weitgehend offene Rasenfläche ausgebildet ist. Die erhöhten Seitenfelder werden durch Klinkermauern und geschnittene Hecken gefasst. Hierdurch wird der architektonische Charakter der Platzanlage unterstrichen. Zugleich wird der lockere, unregelmäßige Baumbestand der Vorgängeranlage in das architektonisch-symmetrische Raumkonzept integriert. Das Zusammenspiel der ‚architektonischen‘ Platzräume mit dem ‚landschaftlichen‘ Baumbestand und der dominierenden monumentalen Brunnenanlage erzeugt eine gestalterische Spannung, wie wir sie nur bei wenigen Stadtplätzen in Berlin finden.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde auf dem Platz eine Trümmerbahn eingerichtet, um den Schutt der zerstörten Wohnhäuser in Richtung Volkspark Friedrichshain zu transportieren. Dort wurden damit zwei Berge um die im Krieg errichteten Flakbunker herum aufgeschüttet. Sie wurden daher im Volksmund ‚Mont Klamott‘ genannt. Ein Foto von dieser Bahn ist uns nicht bekannt, doch hat eine Anwohnerin, Frau Gottwald, eine Zeichnung davon gemacht.

Die in ihren Strukturen nahezu vollständig erhaltene Gestaltung ist ein hervorragendes Beispiel für eine Platzanlage der frühen dreißiger Jahre, in der bestehende gestaltete Natur, moderne architektonisch sachliche Raumstrukturen und übersteigerte Monumentalität zu einer repräsentativen Platzanlage vereinigt werden.

Die Notwendigkeit, die Spielplätze zu erneuern, war der Anstoß zur gartendenkmalpflegerischen Instandsetzung der südwestlichen Platzbereiche in den Jahren 2002 bis 2010.

Das Restaurierungskonzept sah vor, die Klinkermauern mit originalgetreu gefertigten Wittmunder Torfbrandklinkern zu ergänzen, Wildwuchs zu entfernen, die Alleen zu komplettieren, Hecken und Staudenbeete nachzupflanzen und die Spielplätze zeitgemäß zu erneuern.

Die eigentliche Brunnenanlage mit Plateau wurde bis 2010 restauriert und feierlich in Betrieb genommen. Bei einer Sanierung zur DDR-Zeit war das ursprüngliche Wasserbild verändert worden. Außerdem war der Brunnen seit Jahren nicht mehr betriebsfähig. Durch Bauwerksanalyse der vollständig erhaltenen Brunnenskulptur, Auswertung von Fotos und anschließende denkmalgerechte Restaurierung gelang es, das gewünschte Wasserbild nach aufwändiger Erneuerung der Wassertechnik wiederherzustellen.

Aus Anlass des durch ausbleibende Pflege äußerst unbefriedigenden Zustandes des Arnswalder Platzes traten am 15. September 2012 erstmalig über 60 Bürger mit Besen und Gartengeräten in Aktion und befreiten den Platz von ausuferndem Wildwuchs und Unrat. Diese Gemeinschaftsaktion mündete in die GärtnerInitiative Arnswalder Platz, bei der sich Anwohner des Bötzow-Viertels neunmal im Jahr beim ‚Public Gardening‘ engagieren. Das gemeinsame Ziel: eine lebendige Nachbarschaft und die Aufenthaltsqualität des Gartendenkmals pflegen.

Text: Klaus Lingenauber, Carsten Meyer

Der Platz und sein Umfeld

Das nachfolgende, Mitte der 20er Jahre aufgenommene Foto verdeutlicht die landschaftlich orientierte Pflanzung der Bäume. Einige dieser Bäume gedeihen noch heute; sie bilden einen starken Kontrast zur architektonisch geprägten Anlage aus den 30er Jahren. (Blick von der Bötzowstraße in Richtung der Danziger Straße / Hans-Otto-Straße)

Nachfolgend das Eckhaus Hans-Otto-Straße 42, 42 A und 42 B (damals Ecke Braunsberger Straße / Friedeberger Straße): Wo damals Kneipe und Zigarrenladen zum Konsum weicher Drogen einluden, befindet sich heute die Schwanen-Apotheke. Die Häuser links und rechts daneben wurden im Krieg zerstört. Das Grundstück links wurde in den 50er Jahren neu bebaut, das rechte Wohnhaus nicht ersetzt. An seiner Brandwand befindet sich jetzt eine Balkonanlage.

Auf dem nachfolgenden Foto von 1932 sieht man links dasselbe Wohnhaus; der Blick in die Friedeberger Straße zeigt, dass sie vor den Kriegszerstörungen bis zur Kniprodestraße (1974-1995 hieß sie Artur-Becker-Straße) durchging. Welcher Zynismus: Die NSDAP wirbt mit Hitlers Kampf für den ‚wirklichen Frieden‘. Allzu viele Menschen ließen sich blind überzeugen…

 

Im Auftrag des Berliner Magistrats wurden die Kriegszerstörungen zwischen 1949 und 1952 systematisch mit Plattenkameras dokumentiert. Der Fotograf Arwed Messmer hat sie digital zu großformatigen Panoramen zusammengestellt – 2008/09 in der beeindruckenden Ausstellung ‚So weit kein Auge reicht‘ in der Berlinischen Galerie präsentiert und in einem gleichnamigen Buch veröffentlicht. Das Panorama zeigt den Blick von der Ecke Kniprodestraße / Hufelandstraße. Im Hintergrund, etwas rechts von der Mitte, sieht man wieder das einzige an der Friedeberger Straße erhaltene Haus, heute Hans-Otto-Straße 42 A/B, das direkt am (hier verdeckten) Arnswalder Platz steht.

Auf dem 180 ° Gesamt-Panorama sind links auch die Straße Am Friedrichshain und rechts Reste der Gründerzeit-Bebauung auf der heutigen Werneuchener Wiese zu sehen. Deren Zerstörung hat viererlei Ursachen. Zum einen wurden dort im ‚Dritten Reich‘ Häuser für Hitlers Germania-Planungen geschleift: Die Straßen Am Friedrichshain / Kniprodestraße sollten verbreitert und mit Monumentalbauten bebaut werden. Weitere Häuser wurden durch Bomben zerstört. Drittens sollen etliche der verbliebenen Gebäude abgerissen worden sein, um freies Schussfeld für die Flakstellung auf dem Hochbunker im Friedrichshain zu haben. Und schließlich wurden die verbliebenen Wohnhäuser zu DDR-Zeiten abgetragen.

Abschließend zurück zum Arnswalder Platz: so wie nachfolgend stellte er sich in den 60er Jahren dar (Blick von der Danziger Straße – damals Dimitroffstraße – Richtung Pasteurstraße). Danach ein Blick Anfang der 70er Jahre in die entgegengesetzte Richtung.