Warum engagieren sich Bürger*innen wie wir ehrenamtlich für die Stadt? Oft ist hier eine Mischung aus Wut über unhaltbare Zustände, Spaß am gemeinsamen Tun und Lust, das eigene Umfeld mitzugestalten, die Triebfeder für bürgerschaftliches Engagement. Im Falle des Arnswalder Platzes mag bei vielen Engagierten auch die Erkenntnis eine Rolle gespielt haben, dass die öffentliche Hand oder andere Institutionen ihre Aufgaben nicht befriedigend oder gar nicht erledigt hatten.
Bei mir (CM) war es die kolossale Verärgerung darüber, dass nach pedantischer Sanierung von zwei Dritteln des Arnswalder Platzes – Kosten: 1,3 Millionen Euro – und seiner feierlichen Einweihung im Mai 2012 dieser Kiez-Platz innerhalb von zwei Jahren völlig heruntergekommen war: gärtnerisch und sozial. Einen Eindruck davon vermitteln unsere Fotos im Eintrag vom 5. September 2012.
Als Initiator der GärtnerInitiative drängte sich mir die Frage auf: wie kann die öffentliche Hand ein solches Gartendenkmal aufwendig mit Steuermitteln sanieren und mit großem Trara einweihen, um es anschließend verfallen zu lassen?
Die Gründe verstand ich erst allmählich: unterschiedliche Zuständigkeiten für die Sanierung (beim Senat) und die Pflege (beim Bezirk), Haushalts-Notlage des Bezirks Pankow und nicht zuletzt eine Neuordnung der Zuständigkeiten in der Berliner Grünpflege um die Jahrhundertwende: Damit ging die zuvor zentrale Zuständigkeit für die Grünpflege bei einem Berliner Stadtgartendirektor auf die Bezirke über. Sie landete bei den bezirklichen Straßen- und Grünflächenämtern. Die Mittel für Grünpflege werden den Bezirken zudem nicht zweckgebunden zugewiesen, sie sind Teil eines selbstverwalteten ‚großen Topfes‘. In Pankow hatten die Straßen eindeutig Priorität, die Grünpflege beschränkte sich weitgehend auf ‚Wegesicherung‘. Gepflegte Grünanlagen als qualitativ hochwertige Naherholungsanlagen für Bürger*innen haben kaum eine Lobby –auch nicht bei Umweltschützern, die die ökologische, aber offenbar nicht die kulturelle und soziale Seite des Stadtgrüns im Blick haben. Hoffnung setzen wir in eine ‚Charta für das Berliner Stadtgrün‘, die 2018/19 von der Senatsverwaltung für Umwelt im Dialog mit Bürgern entwickelt werden soll.
Einen höchst interessanten Einblick in die Entwicklung und den Niedergang der Berliner Grünpflege gibt ein Artikel von Dipl.-Ing. Stephan Strauss ‚Zur aktuellen Zersplitterung der Berliner Grünverwaltung‚ (Stadt und Grün 7/ 2018).
Wie es losging
Für den 15. September 2012 initiierte der Tagesspiegel, gemeinsam mit Kooperationspartnern, berlinweit erstmalig die Aktion ‚Saubere Sache‘. Die BSR unterstützte alle Aktionen mit Besen, Müll-Greifzangen, Handschuhen etc. Ich meldete auf der angebotenen Internetplattform einen ‚Gartenputz‘ auf dem Arnswalder Platz an. Es kamen rund 60 Anwohnerinnen und Anwohner und packten an! Fast alle Anwesenden unterschrieben schriftlich vorbereitete kritische Fragen an Bezirk und Verwaltung (siehe Eintrag vom 30. November 2014: Kommunikation mit Senat und BVV).
Fast alle Anwesenden trugen sich in eine Mailingliste ein und konnten damit zu weiteren Aktionen eingeladen werden. Im Jahr 2013 gaben wir uns den Namen ‚GärtnerInitiative Arnswalder Platz‘. Der Grafik-Designer Oliver Kleinschmidt schenkte uns die Gestaltung unseres Logos, Stefan Gehrke vom buero fuer neues denken legte den Grundstein für unsere Website und gewährt uns ‚digitalen Unterschlupf‘. Nach rund zwei Jahren ohne formalen Organisationstatus ‚adoptierte‘ uns der Verein ‚Pro Kiez Bötzowviertel‘ als eines seiner Projekte. Und das Verhältnis zum Grünflächenamt entwickelte sich nach anfänglicher Konfrontationsstellung sehr positiv, als wir die personellen und finanziellen Nöte des Amtes verstanden und sie unseren Beitrag zum sozialen und gärtnerischen Erscheinungsbild des Arnswalder Platzes schätzen lernten.
Wir sind nicht allein!
Im Lauf der Jahre entwickelten sich diverse Kooperationen, z.B. mit der Stiftung Denkmalschutz Berlin. Sie bietet Denkmalschutz-engagierten Bürgerinitiativen die Internet-Plattform Bürger für Denkmale, die zur Verbreitung des Denkmalschutzgedankens beitragen soll. Dort sind wir ebenso vertreten wie in einem Beitrag zu deren denkmalMAGAZIN 1/2018. Auch aus der Politik erfahren wir mittlerweile Unterstützung, besonders kontinuierlich durch den Abgeordneten Tino Schopf (SPD). Wir konnten uns auch über Besuche des Bezirksbürgermeisters, Sören Benn (Linke) und des Bezirks-Baustadtrats Vollrad Kuhn (Grüne) freuen – und jetzt auf einen Besuch von Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Wir erhielten eine großzügige private anonyme Spende, um das überwucherte Rosenbeet Danziger Straße neu anzulegen, und Zuwendungen von der Politikerin Halina Wawzyniak (Linke), die uns ihre Diätenerhöhung spendete, sowie von der Stiftung Denkmalschutz für die Anlage eines Staudenbeetes. Mit Zuwendungen des Bezirks (z.B. Ehrenamtsmitteln) konnten wir Gartengeräte und Pflanzen kaufen.
Auf Vorschlag der ehemaligen Schulelternsprecherin des Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasiums ließ ich mich in die Schulkonferenz wählen, um Wissen und Wertschätzung bezüglich öffentlicher Grünflächen auch Schülern zu vermitteln. Mit dem neuen ergänzenden Standort der Schule in der Pasteurstraße liegt der ‚Arnsi‘ quasi vor ihrer Schulhoftür. Eine Umsetzung scheiterte bislang an der Überlastung der zuständigen Lehrkraft.
GärtnerInitiative Arnswalder Platz – bis wir umfallen?
Bürgermeister Sören Benn überraschte uns bei dem Vor-Ort-Termin am 21. Juli 2018 mit der Feststellung, eigentlich müsse unsere GärtnerInitiative überflüssig sein, weil die gärtnerischen und Reinigungsaufgaben schließlich Aufgabe des Bezirks seien. Seines Bezirks! Alle Achtung, ein wahres Wort und klares Statement.
Dass es so kommt, setzt voraus, dass der Grünpflegebereich entsprechend finanziell und personell ausgestattet wird. Pankow war einer der höchstverschuldeten Bezirke Berlins. Heute ist die Bilanz ausgeglichen, es kann wieder investiert werden!
Pankow arbeitet gegenwärtig mit etwa der Hälfte der für eine akzeptable Grünpflege notwendigen Kräfte. Wir fordern daher eine Verdopplung der Ausgaben für den operativen Bereich der Grünpflege, also für die personelle Ausstattung mit Grünpflegekräften. Offenbar muss auch in die Ausbildung von fachlich versiertem Personal investiert werden.
Wenn die Mittelaufstockung hoffentlich zum Doppelhaushalt 2020/21 erfolgt sein wird, möchten wir unseren monatlichen Aktionsrhythmus aufgeben. Aber nicht ganz aufhören: gemeinsames Bürgerengagement ist sozialer Kitt im Kiez, es haben sich darüber Freundschaften gebildet, der Arnswalder Platz erfährt endlich Anerkennung als Platz der Bürger. Unser Engagement setzt auch ein Zeichen gegen eine reine Konsumhaltung gegenüber dem öffentlichen Raum!
Für diese hoffentlich nahe Zukunft können wir uns folgendes vorstellen: drei bis vier Termine pro Jahr, z.B.: ein Frühjahrsputz, evtl. verbunden mit einer Pflanz-Aktion; evtl. ein frühsommerliches Unkraut-Jäten; eine Aktion im Herbst mit Rückschnitt und Laubfegen; ein Böllerputz am 1. Januar.
Aktuell engagieren wir uns für die Aufwertung eines vergessenen Ehrenmals für Peter Joseph Lenné und Gustav Meyer.
Und sonst so?
Besonders vergnüglich ist immer der persönliche Austausch an unseren Gärtner-Samstagen bei der traditionellen Kaffeepause um drei!
Auch diese Website soll dem Informationsaustausch bezogen auf den Platz dienen, etwa indem Berichte und Fotos von Anwohner*innen eingestellt werden, zum Beispiel dieses Foto aus DDR-Zeiten, das uns Pastor Pflug zur Verfügung stellte. Und eigene Artikel, die sich mit dem Arnswalder Platz auseinandersetzen, etwa diese beiden spannenden Erfahrungsberichte von Wolfhart Chevalier, einem ehemaligen Anwohner des Arnswalder Platzes.
- Zum Arbeiteraufstand im Juni 1953: Russische Panzereinheit lagert am Arnswalder Platz. Lesen Sie hier Chevaliers persönliche Erinnerungen.
- Ehemalige Bewohner des Bötzowviertels besuchen ihre frühere Heimat.
Carsten Meyer